Kunst und Kultur rein in den versperrten Raum..
...und wieder raus in den öffentlichen!
Kunst aus dem Gefängnis gelangt trotz einschlägiger rechtlicher Verpflichtungen in Österreich kaum in die Öffentlichkeit.
Warum? Will die Gesellschaft so wenig wie möglich zu tun haben mit dem, was hinter den großen, dicken Mauern passiert? Mit den Kriminellen, den Bösen? Hat sie Angst vor ihnen? Bestenfalls herrscht Desinteresse für diese Menschen, die jemand anderen vielleicht Leid angetan haben. Ihre Förderung gilt als kontraproduktiv: Wäre der Strafvollzug dann vielleicht zu human, zu angenehm, wenn es zu viele interessante Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge gäbe?
Es existieren rechtliche Vorgaben, welche den Staat Österreich verpflichten, in allen österreichischen Haftanstalten Möglichkeiten zur kulturellen bzw. künstlerischen Betätigung anzubieten. Diese rechtlichen Grundlagen basieren einerseits auf internationalen Menschenrechtsstandards, wie sie beispielsweise von der UNO oder auch vom Europarat vorgeschrieben sind und andererseits auch in Grundzügen im österreichischen Strafvollzugsgesetz gefunden werden können. Inhaltlich besagen diese, dass der Strafvollzug nicht nur unter humanen Umständen, sondern darüber hinaus in einer Form abzulaufen hat, in der möglichst auf die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft Bedacht genommen wird.
Konkret schreibt etwa der Europarat als Grundprinzipien für den Strafvollzug unter anderem vor, dass das Leben während des Strafvollzugs den positiven Aspekten des Lebens in der Gesellschaft so weit wie möglich anzugleichen sei, jede Freiheitsentziehung in einer Form durchzuführen sei, dass die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert werde sowie dass Einbeziehung der Zivilgesellschaft in das Leben in der Justizanstalt – soweit möglich – zu fördern sei. Es sei außerdem ein ausgewogenes Programm an Aktivitäten für alle Gefangenen anzubieten, welches auch kulturelle Aktivitäten beinhalten müsse. Außerdem sei auf die Bedürfnisse von Gefangenen so weit wie möglich einzugehen. Noch konkreter sind diesbezüglich die Prinzipien der UNO für die Behandlung von Häftlingen, welche vorschreiben, dass jeder Häftling das Recht habe, sich an kulturellen Aktivitäten und Bildung zu beteiligen, die der vollen Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit dienen.
Direkter Austausch zwischen drinnen und draußen
Ein Teil des gesellschaftlichen Desinteresse an Gefängnissen bzw. an deren Bewohnern fußt sicherlich auf Angst. Angst vor dem Unbekannten, Angst vor „gefährlichen“ Kriminellen, Angst vor weiteren kriminellen Handlungen. Dieser Angst kann durch ein Kennenlernen , durch Kontakt, durch das wirkliche Sehen des eigentlichen Menschen, der sich hinter den Straftaten verbirgt, entgegengetreten werden. Die Tatsache, dass es sich um Menschen handelt, wird in diesem Zusammenhang oft vergessen. Wie ihre Geschichten immer wieder zeigen, handelt es sich bei Tätern gleichzeitig oft um Opfer. Menschen begehen nicht grundlos Straftaten, in vielen Fällen haben sie es nicht besser gelernt oder leiden unter Krankheiten, die sie zu solchen Handlungen bewegen. Sie benötigen daher in erster Linie keine Verurteilung, sondern Verständnis und Hilfestellungen. Diese Hilfestellung ist nicht nur für den Menschen selbst wichtig, sondern aus Präventionsgründen auch für die Gesellschaft, um weitere Straftaten dieser Person vorzubeugen.
Kontakt zwischen „drinnen und draußen'“, das wirkliche Sehen der einzelnen Individuen wurde etwa durch das Theater von Regisseurin Tina Leisch und der darauf folgenden Dokumentation „Gangster Girls“ ermöglicht. Insassinnen der Justizanstalt Schwarzau, die einzige Justizanstalt Österreichs mit vorwiegend weiblichen Häftlingen, wurde eine Stimme gegeben, mittels derer sie unter anderem ihre eigenen Geschichten und Sichtweisen erzählen konnten. Es wird hier nicht nur im Gefängnis ein Kunstwerk geschaffen, das zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht wird, sondern es entsteht ein direkter Austausch zwischen Häftlingen und der Öffentlichkeit. Das Publikum kann seine Eindrücke mitteilen, beispielsweise in Form von Applaus, der wiederum auf die Darstellerinnen eine starke positive Wirkung hat. Dieser Kontakt bietet für die Öffentlichkeit eine Möglichkeit, Menschen nicht nur als Häftlinge und Kriminelle, sondern als wertvolle Individuen mit ihrem persönlichen Schicksal sowie mit ihren Potenzialen wahrzunehmen. Das Unbekannte schwindet damit gemeinsam mit der Angst. Gleichzeitig kann ein Interesse an der Person geweckt werden, an dem Menschen hinter dem „Täter“. Durch das Preisgeben eines Teils der Innersten dieser Menschen wird auch jegliche Verurteilung schwierig. Unterscheidungen zwischen der Tat an sich und dem Menschen werden ermöglicht.
Nachdem eines der wichtigsten Ziele des Strafvollzugs die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft darstellt, ist auch von Seiten der Gesellschaft ein Umdenken notwendig: Häftlinge können noch so gut auf die spätere Freiheit vorbereitet werden, indem sie sich Therapien unterziehen, einen Beruf erlernen, Hobbys entwickeln und Ähnliches. Die wirkliche Wiedereingliederung in die Gesellschaft wird allerdings nur ermöglicht, wenn auch diese dazu offen und bereit ist.
Kunstprojekt machen Gefängnisse nicht un-abschreckend
Dieser Austausch bzw. Kontakt fördert nicht nur ein besseres Verständnis auf Seiten der Außenwelt, sondern bietet auch den InsassInnen eine Reihe neuer Möglichkeiten, mit ihrer derzeitigen Situation sowie mit Zukunftsplänen umzugehen. Sie lernen, sich durch verschiedene künstlerische Tätigkeiten auszudrücken, erweitern dadurch ihren Horizont, und es können sich neue berufliche Perspektiven eröffnen. Außerdem führen diese Betätigungen zu positiven Gefühlen, indem eigene Talente entdeckt und das Selbstwertgefühl gestärkt wird. Häftlinge werden darin unterstützt, Ideen zu kreieren und auch umzusetzen. Dieser Ansatz bietet neue Möglichkeiten und Anreize, die eigenen Geschichten, das Geschehene, das Leid zu verarbeiten. So haben InsassInnen etwa beim Theater die Möglichkeit – wenn auch nur für kurze Zeit – aus ihrer „Rolle“ im Gefängnis in eine andere zu schlüpfen, was Abwechslung im Gefängnisalltag bietet und ihnen vielleicht ermöglicht, einen Hauch von Freiheit ein zu atmen.
Könnte ein Strafvollzug, in welchem viele interessante und angenehme Angebote zur Verfügung stehen, zu human werden? Wäre das Gefängnis unter diesen Umständen nicht mehr ausreichend abschreckend? Gäbe es dann vielleicht sogar Menschen, denen es in Haft besser ginge als draußen? Auch dies ist keine seltenes Argument gegen zu viel Entgegenkommen während der Haft. Allerdings können all diese Alternativen und Angebote die extreme Einschränkung der menschliche Freiheit nicht aufwiegen. Wenn jemand nicht entscheiden darf, wann er duscht, was er essen will, wann er ein bisschen frisch Luft genießen oder sich mit einer Freundin treffen möchte – das ist für jeden Menschen Strafe genug. Die dahinter liegende und grundsätzliche Frage, ob ein Wegsperrren von Menschen, die Fehler begangen haben, überhaupt eine akzeptable Lösung darstellt, soll in diesem Zusammenhang ebenfalls zum Nachdenken anregen. Diese Menschen werden ausgegrenzt, bis sie ihre Strafe „abgesessen“ haben, danach sind sie offenbar wieder würdig, in unsere Gesellschaft – dennoch ihr restliches Leben gebrandmarkt – wieder einzutreten. Die Taten sollen hier keinesfalls verharmlost werden. Es stellt sich aber die Frage, wie in der Folge damit umgegangen werden kann.
In Österreich gibt es einige Projekte, in denen Häftlinge Kunst schaffen, mittels derer sie mit der „Außenwelt“ in Kontakt treten. Ein Beispiel ist das kürzlich ausgestellte Narrenschiff. Die Künstler Stefan Glettler und Bernhard Rappold haben gemeinsam mit der Psychologing Regina Agostini und etwa 20 Insassen der Justizanstalt Hirtenberg unter anderem ein sechs Meter langes Narrenschiff aus Karton gebaut, welches in der Folge in mehreren Ausstellungen zu sehen war. Im Zuge dieser Tätigkeit hatten die Häftlinge die Möglichkeit, ihr Innenleben in kreativer Weise auszudrücken und dieses der Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Zielgruppe waren unbeschäftigte und drogenkranke Insassen, die sich zu diesem Projekt wie für eine Arbeitsstelle in einem Betrieb melden konnten und dann verpflichtend teilnahmen. Ein Grund für die anfängliche Motivation der Häftlinge war oft die, ihre Verlässlichkeit unter Beweis zu stelloen. Dieses Ziel wurde auch erreicht, und viele der Mitarbeiter konnten in der Folge einen Arbeitsplatz in einem der Gefängnisbetriebe erhalten. Die anfängliche Kreativität der Häftlinge war relativ bescheiden, Häftlinge benötigen Inputs, so Glettler. Dieses Projekt hat ihm gezeigt, dass der Raum im Gefängnis nicht nur räumlich sehr eng ist und und Insassen daher alles, was von außen kommt, mit Begeisterung aufsaugen.
Die Justizanstalt Favoriten erscheint in dieser Hinsicht seit einigen Jahren durch das Projekt „wir_hier_Kunst unter Strafe“ als Vorreiterin: R.I.P. - Rappers in Prison ist ein Projekt, in welchem fünf Häftlinge ihre Texte gemeinsam mit dem Wiener Rapper Furious Steez auf CD brachten und veröffentlichten und damit ihre Weltansichten oder persönlichen Geschichten mit der Öffentlichkeit teilen können. Des Weiteren finden in der JA Favoriten Theaterprojekte statt, und es wur4den von inhaftieren Frauen Taschen und T-Shirts unter der künstlerischen Leitung von Beate Göbel gestaltet, welche online auf www.wirhier.at auch erworben werden können bzw. konnten. In diesem Setting wird den Inhaftierten freigestellt, sich an dem Projekt – jenseits von jeglichem/r (Ver)Urteil(ung) – zu beteiligen. Der Grund der Inhaftierung spielt dabei keine Rolle, Ausgangspunkt ist der Kontext der Arbeit. Dies eröffnet Raum für den kreativen Prozess, so Göbel.
Die Künstlerin versteht diese Projekte nicht als therapeutische Maßnahmen, Ziel dieser Arbeit ist vielmehr, am Ende ein Produkt in den Händen zu halten, welches etwa Freunden oder der Familie gezeigt werden kann. Im April 2009 findet eine diesbezügliche Einzelausstellung in Deutschland statt. Des Weiteren wird etwa in den Justizanstalten Eisenstadt, Göllersdorf, Garsten, Linz, Suben und Salzburg Kunsthandwerk verschiedener Art angeboten. Darüber hinaus finden in fast allen Justizanstalten Bastel,- Mal- oder Musikkurse oder Ähnliches statt (diese beschränken sich allerdings auf eine gefängnisinterne Ebene). International ist etwa auf den 2006 von der Internationalen Katholischen Gefangenenseelsorgerkommission organisierten Kunstwettbewerb zu verweisen, in welchem künstlerische Beiträge aus aller Welt eingereicht wurden. Die Aufzählung solcher Projekte ist hier lediglich beispielhaft, zeigt aber, dass noch großer Bedarf besteht.
Die anfangs erwähnten internationalen Standards verpflichten Österreich somit, Häftlingen verschiedenste Möglichkeiten anzubieten um sich kreativ zu betätigen. Zusätzlich hat auch die Gesellschaft in das Leben von InsassInnen mit einbezogen zu werden. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erleichterung der späteren Wiedereingliederung, welche – wie bereits dargestellt – nur damit möglich ist, wenn die Gesellschaft auch die notwendige Offenheit gegenüber ehemaligen Straftätern mitbringt. Eine sehr gute Möglichkeit, in welcher all diese Themen gemiensam in produktiver Form behandelt und auch die Verpflichtungen rechtskonform umgesetzt werden können, sind die hier beschriebenen Projekte, in welchen Kunst von Häftlingen der Außenwelt zugänglich gemacht wird. Wer sich darauf einlässt, wir seine Vorurteile schrittweise abbauen und damit zur tatsächlichen Verwirklichung des Prinzips „alle Menschenrechte für alle“ einen kleinen – aber wichtigen – Beitrag leisten.
Caroline Kerschbaumer
Augustin
Heft Nummer 256 1.7. - 4.8.2009
www.augustin.or.at
...und wieder raus in den öffentlichen!
Kunst aus dem Gefängnis gelangt trotz einschlägiger rechtlicher Verpflichtungen in Österreich kaum in die Öffentlichkeit.
Warum? Will die Gesellschaft so wenig wie möglich zu tun haben mit dem, was hinter den großen, dicken Mauern passiert? Mit den Kriminellen, den Bösen? Hat sie Angst vor ihnen? Bestenfalls herrscht Desinteresse für diese Menschen, die jemand anderen vielleicht Leid angetan haben. Ihre Förderung gilt als kontraproduktiv: Wäre der Strafvollzug dann vielleicht zu human, zu angenehm, wenn es zu viele interessante Beschäftigungsmöglichkeiten für Häftlinge gäbe?
Es existieren rechtliche Vorgaben, welche den Staat Österreich verpflichten, in allen österreichischen Haftanstalten Möglichkeiten zur kulturellen bzw. künstlerischen Betätigung anzubieten. Diese rechtlichen Grundlagen basieren einerseits auf internationalen Menschenrechtsstandards, wie sie beispielsweise von der UNO oder auch vom Europarat vorgeschrieben sind und andererseits auch in Grundzügen im österreichischen Strafvollzugsgesetz gefunden werden können. Inhaltlich besagen diese, dass der Strafvollzug nicht nur unter humanen Umständen, sondern darüber hinaus in einer Form abzulaufen hat, in der möglichst auf die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft Bedacht genommen wird.
Konkret schreibt etwa der Europarat als Grundprinzipien für den Strafvollzug unter anderem vor, dass das Leben während des Strafvollzugs den positiven Aspekten des Lebens in der Gesellschaft so weit wie möglich anzugleichen sei, jede Freiheitsentziehung in einer Form durchzuführen sei, dass die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert werde sowie dass Einbeziehung der Zivilgesellschaft in das Leben in der Justizanstalt – soweit möglich – zu fördern sei. Es sei außerdem ein ausgewogenes Programm an Aktivitäten für alle Gefangenen anzubieten, welches auch kulturelle Aktivitäten beinhalten müsse. Außerdem sei auf die Bedürfnisse von Gefangenen so weit wie möglich einzugehen. Noch konkreter sind diesbezüglich die Prinzipien der UNO für die Behandlung von Häftlingen, welche vorschreiben, dass jeder Häftling das Recht habe, sich an kulturellen Aktivitäten und Bildung zu beteiligen, die der vollen Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit dienen.
Direkter Austausch zwischen drinnen und draußen
Ein Teil des gesellschaftlichen Desinteresse an Gefängnissen bzw. an deren Bewohnern fußt sicherlich auf Angst. Angst vor dem Unbekannten, Angst vor „gefährlichen“ Kriminellen, Angst vor weiteren kriminellen Handlungen. Dieser Angst kann durch ein Kennenlernen , durch Kontakt, durch das wirkliche Sehen des eigentlichen Menschen, der sich hinter den Straftaten verbirgt, entgegengetreten werden. Die Tatsache, dass es sich um Menschen handelt, wird in diesem Zusammenhang oft vergessen. Wie ihre Geschichten immer wieder zeigen, handelt es sich bei Tätern gleichzeitig oft um Opfer. Menschen begehen nicht grundlos Straftaten, in vielen Fällen haben sie es nicht besser gelernt oder leiden unter Krankheiten, die sie zu solchen Handlungen bewegen. Sie benötigen daher in erster Linie keine Verurteilung, sondern Verständnis und Hilfestellungen. Diese Hilfestellung ist nicht nur für den Menschen selbst wichtig, sondern aus Präventionsgründen auch für die Gesellschaft, um weitere Straftaten dieser Person vorzubeugen.
Kontakt zwischen „drinnen und draußen'“, das wirkliche Sehen der einzelnen Individuen wurde etwa durch das Theater von Regisseurin Tina Leisch und der darauf folgenden Dokumentation „Gangster Girls“ ermöglicht. Insassinnen der Justizanstalt Schwarzau, die einzige Justizanstalt Österreichs mit vorwiegend weiblichen Häftlingen, wurde eine Stimme gegeben, mittels derer sie unter anderem ihre eigenen Geschichten und Sichtweisen erzählen konnten. Es wird hier nicht nur im Gefängnis ein Kunstwerk geschaffen, das zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht wird, sondern es entsteht ein direkter Austausch zwischen Häftlingen und der Öffentlichkeit. Das Publikum kann seine Eindrücke mitteilen, beispielsweise in Form von Applaus, der wiederum auf die Darstellerinnen eine starke positive Wirkung hat. Dieser Kontakt bietet für die Öffentlichkeit eine Möglichkeit, Menschen nicht nur als Häftlinge und Kriminelle, sondern als wertvolle Individuen mit ihrem persönlichen Schicksal sowie mit ihren Potenzialen wahrzunehmen. Das Unbekannte schwindet damit gemeinsam mit der Angst. Gleichzeitig kann ein Interesse an der Person geweckt werden, an dem Menschen hinter dem „Täter“. Durch das Preisgeben eines Teils der Innersten dieser Menschen wird auch jegliche Verurteilung schwierig. Unterscheidungen zwischen der Tat an sich und dem Menschen werden ermöglicht.
Nachdem eines der wichtigsten Ziele des Strafvollzugs die spätere Wiedereingliederung in die Gesellschaft darstellt, ist auch von Seiten der Gesellschaft ein Umdenken notwendig: Häftlinge können noch so gut auf die spätere Freiheit vorbereitet werden, indem sie sich Therapien unterziehen, einen Beruf erlernen, Hobbys entwickeln und Ähnliches. Die wirkliche Wiedereingliederung in die Gesellschaft wird allerdings nur ermöglicht, wenn auch diese dazu offen und bereit ist.
Kunstprojekt machen Gefängnisse nicht un-abschreckend
Dieser Austausch bzw. Kontakt fördert nicht nur ein besseres Verständnis auf Seiten der Außenwelt, sondern bietet auch den InsassInnen eine Reihe neuer Möglichkeiten, mit ihrer derzeitigen Situation sowie mit Zukunftsplänen umzugehen. Sie lernen, sich durch verschiedene künstlerische Tätigkeiten auszudrücken, erweitern dadurch ihren Horizont, und es können sich neue berufliche Perspektiven eröffnen. Außerdem führen diese Betätigungen zu positiven Gefühlen, indem eigene Talente entdeckt und das Selbstwertgefühl gestärkt wird. Häftlinge werden darin unterstützt, Ideen zu kreieren und auch umzusetzen. Dieser Ansatz bietet neue Möglichkeiten und Anreize, die eigenen Geschichten, das Geschehene, das Leid zu verarbeiten. So haben InsassInnen etwa beim Theater die Möglichkeit – wenn auch nur für kurze Zeit – aus ihrer „Rolle“ im Gefängnis in eine andere zu schlüpfen, was Abwechslung im Gefängnisalltag bietet und ihnen vielleicht ermöglicht, einen Hauch von Freiheit ein zu atmen.
Könnte ein Strafvollzug, in welchem viele interessante und angenehme Angebote zur Verfügung stehen, zu human werden? Wäre das Gefängnis unter diesen Umständen nicht mehr ausreichend abschreckend? Gäbe es dann vielleicht sogar Menschen, denen es in Haft besser ginge als draußen? Auch dies ist keine seltenes Argument gegen zu viel Entgegenkommen während der Haft. Allerdings können all diese Alternativen und Angebote die extreme Einschränkung der menschliche Freiheit nicht aufwiegen. Wenn jemand nicht entscheiden darf, wann er duscht, was er essen will, wann er ein bisschen frisch Luft genießen oder sich mit einer Freundin treffen möchte – das ist für jeden Menschen Strafe genug. Die dahinter liegende und grundsätzliche Frage, ob ein Wegsperrren von Menschen, die Fehler begangen haben, überhaupt eine akzeptable Lösung darstellt, soll in diesem Zusammenhang ebenfalls zum Nachdenken anregen. Diese Menschen werden ausgegrenzt, bis sie ihre Strafe „abgesessen“ haben, danach sind sie offenbar wieder würdig, in unsere Gesellschaft – dennoch ihr restliches Leben gebrandmarkt – wieder einzutreten. Die Taten sollen hier keinesfalls verharmlost werden. Es stellt sich aber die Frage, wie in der Folge damit umgegangen werden kann.
In Österreich gibt es einige Projekte, in denen Häftlinge Kunst schaffen, mittels derer sie mit der „Außenwelt“ in Kontakt treten. Ein Beispiel ist das kürzlich ausgestellte Narrenschiff. Die Künstler Stefan Glettler und Bernhard Rappold haben gemeinsam mit der Psychologing Regina Agostini und etwa 20 Insassen der Justizanstalt Hirtenberg unter anderem ein sechs Meter langes Narrenschiff aus Karton gebaut, welches in der Folge in mehreren Ausstellungen zu sehen war. Im Zuge dieser Tätigkeit hatten die Häftlinge die Möglichkeit, ihr Innenleben in kreativer Weise auszudrücken und dieses der Öffentlichkeit mitzuteilen. Die Zielgruppe waren unbeschäftigte und drogenkranke Insassen, die sich zu diesem Projekt wie für eine Arbeitsstelle in einem Betrieb melden konnten und dann verpflichtend teilnahmen. Ein Grund für die anfängliche Motivation der Häftlinge war oft die, ihre Verlässlichkeit unter Beweis zu stelloen. Dieses Ziel wurde auch erreicht, und viele der Mitarbeiter konnten in der Folge einen Arbeitsplatz in einem der Gefängnisbetriebe erhalten. Die anfängliche Kreativität der Häftlinge war relativ bescheiden, Häftlinge benötigen Inputs, so Glettler. Dieses Projekt hat ihm gezeigt, dass der Raum im Gefängnis nicht nur räumlich sehr eng ist und und Insassen daher alles, was von außen kommt, mit Begeisterung aufsaugen.
Die Justizanstalt Favoriten erscheint in dieser Hinsicht seit einigen Jahren durch das Projekt „wir_hier_Kunst unter Strafe“ als Vorreiterin: R.I.P. - Rappers in Prison ist ein Projekt, in welchem fünf Häftlinge ihre Texte gemeinsam mit dem Wiener Rapper Furious Steez auf CD brachten und veröffentlichten und damit ihre Weltansichten oder persönlichen Geschichten mit der Öffentlichkeit teilen können. Des Weiteren finden in der JA Favoriten Theaterprojekte statt, und es wur4den von inhaftieren Frauen Taschen und T-Shirts unter der künstlerischen Leitung von Beate Göbel gestaltet, welche online auf www.wirhier.at auch erworben werden können bzw. konnten. In diesem Setting wird den Inhaftierten freigestellt, sich an dem Projekt – jenseits von jeglichem/r (Ver)Urteil(ung) – zu beteiligen. Der Grund der Inhaftierung spielt dabei keine Rolle, Ausgangspunkt ist der Kontext der Arbeit. Dies eröffnet Raum für den kreativen Prozess, so Göbel.
Die Künstlerin versteht diese Projekte nicht als therapeutische Maßnahmen, Ziel dieser Arbeit ist vielmehr, am Ende ein Produkt in den Händen zu halten, welches etwa Freunden oder der Familie gezeigt werden kann. Im April 2009 findet eine diesbezügliche Einzelausstellung in Deutschland statt. Des Weiteren wird etwa in den Justizanstalten Eisenstadt, Göllersdorf, Garsten, Linz, Suben und Salzburg Kunsthandwerk verschiedener Art angeboten. Darüber hinaus finden in fast allen Justizanstalten Bastel,- Mal- oder Musikkurse oder Ähnliches statt (diese beschränken sich allerdings auf eine gefängnisinterne Ebene). International ist etwa auf den 2006 von der Internationalen Katholischen Gefangenenseelsorgerkommission organisierten Kunstwettbewerb zu verweisen, in welchem künstlerische Beiträge aus aller Welt eingereicht wurden. Die Aufzählung solcher Projekte ist hier lediglich beispielhaft, zeigt aber, dass noch großer Bedarf besteht.
Die anfangs erwähnten internationalen Standards verpflichten Österreich somit, Häftlingen verschiedenste Möglichkeiten anzubieten um sich kreativ zu betätigen. Zusätzlich hat auch die Gesellschaft in das Leben von InsassInnen mit einbezogen zu werden. Dies vor allem unter dem Gesichtspunkt der Erleichterung der späteren Wiedereingliederung, welche – wie bereits dargestellt – nur damit möglich ist, wenn die Gesellschaft auch die notwendige Offenheit gegenüber ehemaligen Straftätern mitbringt. Eine sehr gute Möglichkeit, in welcher all diese Themen gemiensam in produktiver Form behandelt und auch die Verpflichtungen rechtskonform umgesetzt werden können, sind die hier beschriebenen Projekte, in welchen Kunst von Häftlingen der Außenwelt zugänglich gemacht wird. Wer sich darauf einlässt, wir seine Vorurteile schrittweise abbauen und damit zur tatsächlichen Verwirklichung des Prinzips „alle Menschenrechte für alle“ einen kleinen – aber wichtigen – Beitrag leisten.
Caroline Kerschbaumer
Augustin
Heft Nummer 256 1.7. - 4.8.2009
www.augustin.or.at